20km / 100Hm
Wer würde nicht gerne mal an einer WM teilnehmen, auch wenn es „nur“ eine Parallelorganisation zur offiziellen UCI ist? Schon letztes Jahr wurde ich auf diese Veranstaltung vor den Toren von Kitzbühel aufmerksam, aber nicht weiter verfolgt. Am 1.August Rennen in Bleienbach wurde ich dann von einem arrivierten Master Zeitfahrer wieder auf diesen Anlass aufmerksam gemacht und als dann Anfang letzter Woche noch ein Fahrer mich auf die Teilnahme angesprochen hat , war der Anker gesetzt und die Homepage www.masterswm.org nun ziemlich intensiv studiert.
Eine E-Mail an Swiss-Cycling gab mir die Gewissheit auch ohne nationale Lizenz aber mit Tageslizenz „um 10 €“ da starten zu können. Nun noch familiär und geschäftlich checken ob so eine kurzfristige Absenz überhaupt machbar ist und akzeptiert wird, und auf den Meldeschluss hin ist der 66er für die inoffizielle Master WM bei den Herren 4 angemeldet.
Hotel buchen, Treffpunkt mit Kollegen die schon vor Ort sind vereinbaren und ab in die Garage um den TT-Flieger gemäss UCI Reglement innerhalb der +/- 5cm Toleranzen einzustellen und noch paar Trainings in der neuen Aeroposition absolvieren.
Fahrt in der Nacht auf Dienstag nach St.Johann im Tirol. Check in um 07.30 Uhr und ab ans Frühstücksbuffet. Treffpunkt 11.00 Uhr auf dem Flughafen zum Airport-Sprint, wo Nicole schon mal den ersten Pokal abräumt. Dann geht’s zusammen zur Streckenbesichtigung- Michi als mehrmaliger Teilnehmer gibt Tipps und ich versuche mir die Strecke zu verinnerlichen und entsprechend die Pacing-Strategie zurecht zu legen- eine kurze 8% Steigung vor dem Wendepunkt, wenige sanfte Kurven, dann lange Geraden und der Rückweg ganz leicht ansteigend- Fazit- maximale Dauerleistung ist gefragt- all out- auf keinen Fall die Beine hängen lassen.
Gegen 16.00 Uhr die Nummer holen und Konsultation der Startliste, ich starte als 4.letzter M4 um 11.27.30 Uhr. Da die offizielle UCI Master WM vom 1.-4. Sept.2016 im fernen Perth Australia stattfinden wird, ist unser Teilnehmerfeld mit namhaften Fahrer vertreten, die sich den weiten und teuren Ausflug nicht leisten wollen/können.
Im Hotel beim üblichen Rennvorbereitungs-Ritual fällt mir auf, dass die Zahl auf der Startnummer komisch auf mich wirkt- tatsächlich, anstelle der 296 bekam ich die 269- schnell zurück ins Race-Büro und tauschen. Mein erstes WM-Rennen kann kommen 🙂
Tagwache früh um 07.00 Uhr, leichtes Frühstück, dann nervöses rumhängen bis ich kurz vor 10 Uhr nach Erpfendorf zum Start fahre- will da gemäss Wettkampf Info den Racer eine Stunde vor dem Start in der Lehre überprüfen lassen- weit gefehlt- O-Ton; geht nicht, gibt’s nicht, dein Radl musste ja schon vorher nach UCI sein! ich bin aber Hobbyfahrer mit Tageslizenz, musste mein Rad neu einstellen- was? Tageslizenz gibt’s bei uns überhaupt nicht ! Da hat es mir kurz die Sprache verschlagen 😦 Der Funktionär kennt anscheinend die Veranstalter Rennausschreibung nicht- ich verzichte auf eine weitere Konfrontation und verziehe mich leicht agro- hoffe die Einstellung mit Lot und Meter unter Mithilfe von Sohn Fäbu stimmen..
Mental schon leicht „angeheizt“ fahre ich mich nun auf der Rolle richtig warm- Heavy Metal im Ohr- Gel rein, trinken- Beine fühlen sich von der VAUDE gut erholt an- äs chund guet
Helm und Brille auf und 10‘ vor dem Start leicht nervös zur Radkontrolle…Der Funktionär nimmt sich Zeit und stellt mein Bike erst 4‘ vor meinem Start in die Lehre- alles ok- gottseidank, hätte wohl kaum noch Zeit gehabt was zu ändern!
Rauf auf die Startrampe, tief durchatmen- im 30“ Takt lassen Sie uns auf die Strecke- schon ertönt mein Count-Down und ab geht’s ins WM Abenteuer – sofort im Wiegetritt kurz aber heftig über der Schwelle hochbeschleunigen und in die Aeroposition- nun gibt es nichts mehr zu studieren- nur Druck, Trittfrequenz und Position ist wichtig- die Beine drehen super-Übermotivation ist aber fehl am Platz, nur nicht überdrehen- es ist brutal heiss und schnell läuft der Schweiss in Strömen- jeder Kilometer ist mit einem Schild markiert- ab Km5 brennt‘s schon ziemlich heftig, da sind die Km Markierungen keine Motivation mehr, nein- du siehst deinen noch ausstehenden Leidensweg! Da kann ich den ersten Fahrer ein-und überholen- nur nicht im Windschatten fahren und ja keine Mittellinie überfahren- überall stehen Funktionäre oder fahren mit Auto oder Moto hinterher- bei Km8 die Steigung- hoch wuchten und oben sofort mit Extrapower über der Schwelle weiterdrücken um mit viel Schwung zum Wendepunkt zu fliegen- da die Fahne und ein Funktionär- volle Kanne bis kurz vor den Scheitelpunkt- heftig anbremsen, in einem Zug rum und sofort hochbeschleunigen, nur keinen Schwung verlieren hin zur kurzen Abfahrt- bei knappen 67km/h lasse ich da erstmals die Beine gaaaanz leicht hängen, will durchschnaufen, aber das kostet Zeit-no way- du bist an einer WM- nid lugg la, tammi- aber es tut nun wirklich brutal weh und die verdammten Schilder zeigen noch unendlich lange 8km bis ins Ziel. Kopf runter, Blick durch schweissverschmierte Brille auf den Garmin, Pulsschlag bis hinter die Ohren und trotzdem drücken was noch geht- die letzten 2km- ich bin total Anschlag und das Erbrechen-Gefühl steigt immer höher- der letzte Kilometer- es wird um Sekunden gehen- los gib alles was du noch hast! Mit Stöhnen und total abgebrannt im Ziel- Blick auf die Anzeigetafel 25.37.21 Ø 46.6km/h , aber 4 Fahrer kommen noch.
Die nächsten paar Minuten versuche ich wieder zu Atem zu kommen und die zittrigen Beine etwas auszudrehen- schnell zurück zum Ziel und da höre ich den Speaker gerade das Klassement M4 ausrufen; und im dritten Rang der Schweizer- wow- unglaublich-Hammer- Euphorie
Locker ausfahren, essen trinken und schnell ein phone call back home zu Pia und den Jungs-Sie haben im Liveticker bereits gesehen was abging und es war wie vermutet verdammt knapp- ganze 1.33 Sekunden Vorsprung auf den vierten- nur eine Pedalumdrehung weniger mit richtig Druck und weg ist die Medaille! Nach ganz vorne fehlte eine Welt, zum zweiten knappe 16“.
Die Siegerzeremonie am Abend ein tolles Erlebnis- total echt und sehr wertschätzend den Athleten/innen gegenüber- mit allem drum und dran- National Flaggen Aufzug für jeden Podest Fahrer und Nationalhymne für den Sieger- Pokal und Medaille, zwei Flaschen Wein von Radlegende Francesco Moser-diese Eindrücke und Gefühle werde ich nie vergessen.
Jeder Schweisstropfen bei den harten Ergo Wintertrainings Suicide-Intervallen ist vergessen und voll und ganz zurück bezahlt- Danke für alles
Nachtrag:
Was mich leider sehr nachdenklich und wütend macht, ist die Tatsache, dass ich auf dem Weg zur Siegerehrung mit einem mehrfachen TT Master Weltmeister (wir kennen uns von einem gemeinsamen TT-Material Test-Event) aus Deutschland gesprochen habe und er mich über unseren M4 Sieger aus DE aufgeklärt hat- Gesperrt im Juli 2015 wegen Dopingvergehens – ich hatte echt Mühe diesem auf dem Podest die Hand zu reichen.
Als wäre das nicht genug, ruft mich unser Sohn Ramon am Donnerstag nach dem Mittagessen an den PC- er hat den Namen des zweitrangierten M4 Fahrer aus RUS gegoogelt- Resultat auf der offiziellen UCI Seite: Sperre wegen EPO bis 24.03.2016 ! Der ist nun auf dem Weg an die Bahn Master WM in Manchester..
Rennausschreibung des Organisators: Dopingkontrollen: Es finden Dopingkontrollen statt, bitte beachten Sie die Aushänge im Zielraum.
Ich habe keine Aushänge gefunden..
Schöne heile Welt – trotz allem aber lassen wir uns die Freude und Begeisterung für unseren tollen Sport nicht nehmen
Mein nächstes Ziel ist nun die Qualifikation zur offiziellen UCI Weltmeisterschaft 2017 in Frankreich- Keep on going
Cool & Clean
Dani